Fahrvorstellung Audi e-tron GT

Erste Ausfahrt

Audi hat die Bestellbücher für e-tron GT und RS e-tron GT geöffnet. Die ersten Kunden sollen im ersten Halbjahr ihre Autos bekommen. Die Marke mit den vier Ringen sieht das als Aufbruch in eine neue Ära.

Von Wolfgang Schäffer

Beide Modelle sind laut Hersteller ein Beispiel dafür, wie emotional und faszinierend Audi die Zukunft der Mobilität gestalten werde. Der elektrisch angetriebene Gran Turismo mit vier Türen und Allradantrieb vereine emotionales Design mit einem starken Antrieb, dynamischen Handling und hoher Reichweite.

Design:

Das schönste Auto, das ich jemals gezeichnet habe.“ So hatte Audi-Chefdesigner Marc Lichte schon im Herbst 2018 geschwärmt, als der den Audi e-tron GT concept als Showcar in Los Angeles auf der Autoshow präsentierte. Die Serienversion rollt nun fast unverändert auf die Straße. „Gutes Design entsteht dann, wenn ein Produkt ästhetisch ist und gleichzeitig funktional, wenn es Teil eines nahtlosen Gesamterlebnisses wird. Die Grundlage für Ästhetik liegt dabei in den Proportionen: kurze Überhänge und ein langer Radstand, dazu eine schlanke Kabine auf einem kräftigen Körper“, betont Lichte und verweist auf Abmessungen im klassischen Gran-Turismo-Maß: Bei einem Radstand von 2,90 Metern beträgt seine Länge 4,99 Meter, die Breite 1,96 Meter, die Höhe jedoch nur 1,41 Meter. Ein weiterer wichtiger Punkt für das Design eines Elektroautos ist Lichte zufolge die Effizienz. „Je geringer der Luftwiderstand, desto größer die Reichweite: Dieses physikalische Grundgesetz der Elektromobilität haben wir beim e-tron GT zum Gestaltungsprinzip gemacht. Die Form folgt der Funktion, Ästhetik erwächst aus Effizienz. Die neue Formensprache sorgt für einen stärkeren Fluss und ermöglicht dadurch eine ausgefeilte Aerodynamik. Damit bildet die Gestaltung des e-tron GT die Grundlage für das Design zukünftiger Elektro-Modelle.“ Eine aktive Aerodynamik mit schaltbaren Lufteinlässen für Bremsen und Kühler sowie mehrstufig ausfahrendem Heckspoiler; ein geschlossener Unterboden und ein breiter Diffusor tragen zu einem cW-Wert von 0,24 bei.

Innenraum:

Erstaunlich geräumig für ein Sportcoupé. Das können wir auf alle Fälle festhalten. Wenn ich mir mit einer Körpergröße von 1,85 Metern den Fahrersitz passen eingerichtet habe, könnte ich auf der Rückbank noch bequem sitzen. Beides gleichzeitig geht aber nun einmal nicht. Deshalb zurück ans Steuer. Hier ist alles auf den Fahrer ausgerichtet. Soll heißen: Das Lenkrad liegt gut in der Hand, der zentrale Armaturenträger ist leicht nach links geneigt, das Display des Audi virtual cockpit plus steht frei, während der MMI touch-Monitor in eine schwarze Klavierlack-Blende eingelassen ist. Der kompakte Wählschalter für die Fahrstufen liegt auf der Konsole des Tunnels.

Die vorderen Sitze stehen übrigens in drei Versionen zur Wahl. Die Sportsitze mit elektrischer Achtwege-Einstellung und Bezügen aus Kunstleder/Perlnappa sind Serie im e-tron GT quattro. Der RS e-tron GT hat die Sportsitze plus mit 14 Wege-Einstellung und Sitzheizung an Bord. Optional gibt es für beide Modelle die Sportsitze plus mit 18 Wege-Einstellung, pneumatisch einstellbaren Seitenwangen, Belüftung und (auf Wunsch) mit Massagefunktion. Letzteres muss nicht sein. Schon die Achtwege-Sitze sind bestens gepolstert, haben eine ausreichende Länge als Auflage für die Oberschenkel und geben Halt in schnell gefahrenen Kurven. Zwei lederfreie Ausstattungen betonen die Nachhaltigkeit eines E-Autos. Das Kofferraumvolumen beträgt 405 Liter (350 Liter wenn ein Subwoofer installiert ist) und kann bei umgelegten hinteren Lehnen (40:20:40) deutlich erweitert werden. Unter der vorderen Haube gibt es zudem ein Fach, dass 85 Liter fasst. Hier lassen sich die diversen Ladekabel problemlos verstauen.

 

Leistung/Motorisierung:

Eines vorweg: Der vehemente Druck aufs rechte Pedal zündet so etwas wie einen Raketenantrieb. Und das nicht nur aus dem Stand. Das RS-Modell hakt den Standardsprint von null auf Tempo 100 in 3,3 Sekunden ab. Der e-tron GT schafft das in 4,1 Sekunden (jeweils im Boost). Fast noch heftiger kommen Beschleunigungsmanöver für Überholvorgänge aber bei Fahrer und Beifahrer an. Wenn die Tachonadel bei 60 steht wickelt sich bei einem Kickdown der Magen schlagartig gefühlt um die Wirbelsäule, die Kopfstütze schützt vor einem Schleudertrauma. Die beiden E-Maschinen an Vorder- und Hinterachse leisten im GT 175 kW (238 PS) beziehungsweise 320 kW (435 PS). Das führt zu einer Gesamtleistung von 350 kW (476 PS und 630 Nm. Beim RS e-tron GT gibt die E-Maschine an der Vorderachse ebenfalls 175 kW (238 PS) ab, während der Motor im Heck 335 kW (456 PS) leistet. Unterm Strich kommen damit eine Leistung von 440 kW (598 PS) und ein Drehmoment von 830 Nm zusammen. Beide E-Maschinen halten Reserven für extreme Fahrsituationen bereit. Im Boost per Launch Control stehen beim GT für 2,5 Sekunden bis zu 390 kW (530 PS) bereit, beim RS sind es 475 kW (646 PS). In der Spitze fliegen die beiden Modelle mit 245 beziehungsweise 250 Kilometer pro Stunde (abgeregelt) dahin. An beiden Achsen bilden die E-Maschine, ihre Leistungselektronik und das Getriebe einen kompakten Block. Der hintere Elektromotor schickt seine Momente auf ein Zweiganggetriebe. Beide Varianten fahren grundsätzlich mit elektrischem Allradantrieb. Nur wenn im Fahrdynamiksystems Audi drive select der Efficiency-Modus gewählt wird, geht es überwiegend im Frontantrieb voran.

Verbrauch/Reichweite

Nach der WLTP-Norm benötigt der Audi e-tron GT quattro je nach Ausstattung zwischen 21,6 und 19,9 kWh Energie pro 100 Kilometer, beim RS-Modell sind es 22,5. bis 20,6 kWh. Daraus ergeben sich dann durchschnittliche Reichweiten von bis zu 488 beziehungsweise 472 Kilometer. Wir waren über einen längere Strecke mit dem GT unterwegs und haben bei konstanter Fahrt mit Tempo 80 auf der Landstraße mit leichten Steigungen und Gefällstrecken laut Bordcomputer 22,5 kWh verbraucht. Bei Tempo 100 waren es auf topfebener Straße 21,7 kWh und bei einer Geschwindigkeit von 120 Kilometern pro Stunde knapp 26,9 kWh. Beschleunigungsmanöver unter Volllast ziehen entsprechend Energie. Da schnellt die Verbrauchsanzeige in wenigen Augenblicken bis auf knapp 40 kWh in die Höhe.

Ladeleistung/Infrastruktur

Wir waren um die 140 Kilometer mit dem e-tron GT und nur eine relativ kurze Strecke mit dem RS unterwegs. So können wir noch nichts konkretes zur Ladedauer aus eigener Anschauung sagen. Also zitieren wir an dieser Stelle die technischen Daten: Der e-tron GT kann serienmäßig mit elf kW Leistung Wechselstrom laden, eine leere Batterie ist so über Nacht wieder gefüllt. Kurz nach dem Marktstart folgt ein Ladegerät für 22 kW Leistung als Option. An einer ausreichend starken Gleichstrom-Säule erzielt der elektrische Gran Turismo in der Spitze bis zu 270 kW Ladeleistung. Damit kann er in gut fünf Minuten Energie für bis zu 100 Kilometer Strecke nachladen. Eine Ladung von fünf auf 80 Prozent dauert unter idealen Bedingungen weniger als 23 Minuten.

In beiden beide Modellen kann die Hochvolt-Batterie netto 86 kWh Energie speichern (brutto 93 kWh). Die Systemspannung von 800 Volt ermöglicht laut Audi eine hohe Dauerleistung und verkürzt demzufolge die Ladedauer. Vier separate Kühlkreisläufe temperieren die Hochvolt-Komponenten und den Innenraum, jeder auf einem eigenen Temperaturniveau. Sie lassen sich je nach Bedarf flexibel miteinander verschalten. Wenn der Fahrer mehrfach hintereinander hohe Leistung abfordert, koppeln Ventile den Kühlkreislauf der Batterie an den Kältemittelkreis der Klimaanlage an – die intensive Kühlung hält die Performance des Antriebs auf konstant hohem Niveau. Auch beim schnellen Gleichstrom-Laden, das die Batterie bis auf 50 Grad Celsius erwärmen kann, hilft der Kältemittelkreis beim Kühlen. Die Ladeklappen des Gran Turismo liegen hinter den Vorderrädern. Auf beiden Seiten gibt es Anschlüsse für Wechselstrom (AC), rechts liegt zudem ein Anschluss für Gleichstrom (DC). Der Audi e-tron GT wird mit zwei Ladekabeln ausgeliefert – einem Mode 3-Kabel für öffentliche Säulen und dem Ladesystem kompakt für die Garage. In Europa können die Kunden den Audi-eigenen Ladedienst e-tron Charging Service nutzen, der aktuell etwa 200.000 öffentliche Ladepunkte umfasst. Eine Karte erlaubt den Zugang zu ihnen. Audi-Kunden bezahlen in 26 Ländern landesweit einen einheitlichen Tarif. Im europaweiten Schnelllade-Netzwerk von Ionity profitieren sie von günstigen Konditionen. Im ersten Jahr übernimmt Audi die Grundgebühr für den Transit Tarif, der einen reduzierten Strompreis beinhaltet.

Infotainment

e-tron GT quattro und im RS e-tron GT sind mit dem Modularen Infotainmentbaukasten der dritten Generation (MIB 3) ausgerüstet. Das freistehende Audi virtual cockpit plus bietet eine hohe Auflösung und lässt sich zwischen drei Screens umschalten – „classic“, „sport“ und „e-tron“. In der e-tron-Ansicht steht das große Powermeter im Fokus, es zeigt den Status des Antriebs und alle wichtigen Informationen zum elektrischen Fahren an. Auf dem MMI touch-Display managt der Fahrer das Infotainment, die Navigation, die Komfortfunktionen und die Texteingabe. Als dritte Bedienebene steht die Sprachbedienung zur Verfügung. Serie in beiden Modellen ist die Medienzentrale MMI Navigation plus. Sie unterstützt den schnellen Übertragungsstandard LTE Advanced und integriert einen WLAN-Hotspot. Die Audi phone box, in zwei Versionen erhältlich, koppelt Smartphones an die Autoantenne und lädt sie induktiv. Das Bang & Olufsen premium sound system leistet 710 Watt. Zu seinen 16 Lautsprechern gehören zwei 3D-Lautsprecher in den A-Säulen.

Assistenzsysteme

Die Sicherheitssysteme Audi pre sense front und Audi pre sense basic sind Serie, das Gleiche gilt für die Spurverlassenswarnung. Die optionalen Systeme sind in die Pakete „Tour“, „Stadt“ und „Parken“ aufgeteilt. Das Assistenzpaket plus fasst sie alle zusammen. Ergänzend stehen der Nachtsichtassistent und die Umgebungskameras (auch im Paket „Parken“ erhältlich) zur Wahl.

Fahreindruck

Ohne Wenn und Aber – der Audi e-tron GT überzeugt. Der Antritt ist vehement und Durchzug überaus beeindruckend. Bei der Abstimmung des Fahrwerks haben die Entwickler es gut hinbekommen, den Gran Turismo-Charakter zu betonten. So sind Federung und Dämpfung ausreichend komfortabel ausgelegt, um auch die längere Fahrt entspannt zu genießen. Gleichwohl fegt das elektrische Sportcoupé bei Bedarf mit hohem Tempo präzise um die Ecken, bleibt dabei kreuzbrav in der vorgegebenen Spur. Dazu lässt sich die Sitzposition am Steuer – zumindest mit dem hier installierten 14-Wege-System – exakt auf die Abmessungen des Fahrers ausrichten. Das unterstützt das Handling.

Preis

Der e-tron GT wird zu einem Grundpreis von 99.800 Euro, der RS e-tron GT ab 138.200 Euro angeboten. Matrix LED-Scheinwerfer sind Serie beim RS e-tron GT, beim e-tron GT optional erhältlich. Auf Wunsch für beide Modelle Matrix LED-Scheinwerfer mit Audi Laserlicht, damit Reichweite des Fernlichts verdoppelt.

Wettbewerber

Außer dem Konzernbruder Taycan ist noch der Tesla Model S zu nennen.

Fazit

Ein gelungenes Auto, das Audi da auf die 19 bis 21 Zoll großen Räder gestellt hat. Uns gefüllt der Wagen optisch sowohl außen als auch innen. Alles wirkt durchdacht. Alles? Fast alles! Der optional angebotene e-tron-Sportsound lässt sich leider nicht mit einem einfachen Knopfdruck ein- oder ausschalten. Stattdessen ist die Aktivierung nur über die individuelle Einstellung des Drive Select-Systems möglich. Das ist umständlich und könnte einfacher, damit kundenfreundlicher gelöst werden.

 

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