Jeep Avenger

Mehr Schatten als Licht

Der elektrisch angetriebene Jeep Avenger bietet für einen Kleinwagen viel Platz. Aus ergonomischer Sicht gibt es jedoch einige Defizite.

Von Wolfgang Schäffer

4,08 Meter lang, 1,78 Meter breit und 1,53 Meter hoch – das sind die doch übersichtlichen äußeren Abmessungen des Avenger. Innen indessen gibt es ein vergleichsweise gutes Platzangebot. Selbst wenn großgewachsene Personen vorne sitzen, können es sich Mitreisende mit einer Körpergröße von 1,85 Metern auf der Rückbank noch bequem machen. Das gilt für die Bein- und auch die Kopffreiheit.

Platzverhältnisse richtig gut

Die nach innen ausgeformten Kunststoffrücken der vorderen Lehnen tragen maßgeblich dazu bei, dass die Knie nicht anstoßen. In diesem Punkt haben sich die Designer ein Lob verdient. Dem steht allerdings das nicht wirklich einfache Ein- und Aussteigen für die Fondpassagiere gegenüber. Gründe dafür sind die schmalen hinteren Türöffnung. Geschick und ein gewisses Maß an Beweglichkeit der Mitreisenden ist notwendig, um auf die Rückbank zu gelangen.

Lehnenverstellung mühsam

Die vorderen Sitze lassen sich lediglich manuell verstellen. Während Höhe und Längsrichtung noch relativ einfach von Frau oder Mann am Steuer mit Hebeln an der Seite und vor dem Sitz zu justieren sind, sieht das bei der Lehnenneigung schon ganz anders aus. Das dafür zuständige Drehrad ist im engen Raum zwischen B-Säule und Sitz eigentlich nicht zu bedienen. Um die Neigung zu verstellen, muss der Sessel erst einmal nach vorne gerutscht werden, damit der Drehknopf zu bedienen ist. Dann wieder mit dem Sitz zurück, in der Hoffnung, dass die Position nun passt. Falls nicht, alles noch einmal. Das kann schon nerven, vor allem, wenn unterschiedliche Personen den Wagen nutzen.

Anzeige im Blick

Positiv aber ist, dass sich der Platz am Lenkrad – wenn auch manchmal mit Mühe – generell passend zur jeweiligen Körpergröße einstellen lässt. Die Bedienelemente sind dann leicht zu erreichen, die Anzeigen liegen gut im Blick. Das gilt auch für den 10,25 Zoll großen Touchscreen, über den das Infotainmentsystem gesteuert wird. Die Informationen auf dem digitalen Tachodisplay, das in diesem Fall die gleiche Größe hat, lassen sich ebenfalls bestens ablesen. Wichtig hier vor allem die Säule auf der rechten Seite für den Energiegehalt der Batterie. Doch dazu später mehr.

Klaviertasten für Klimaautomatik

Unterhalb des mittig auf dem Armaturenträger platzierten Touchscreens sind vier Tasten stationiert, über die unter anderem Fahrzeugfunktionen, die komplette App-Auswahl und auch die Warnblinkleuchten schnell anzusteuern sind. Noch einmal ein wenig tiefer haben die Designer eine Leiste mit Klaviertasten zum Einstellen der Klimaautomatik verortet. Ein weitere Etage darunter und als Abschluss der Mittelkonsole liegen die Druckschalter, mit denen der Parkmodus, das Rückwärts- und das Vorwärtsfahren angewählt werden. Auch eine stärkere Reduzierung des Tempos beim Ausrollen und damit eine erhöhte Rekuperation lässt sich hier bestimmen.

Ladeschale fürs Handy

Unterhalb einer faltbaren Klappe kann das Handy entweder kabellos in einer Ladeschale oder über eine von zwei dort installierten USB-Buchsen mit neuer Energie versorgt werden. Das alles gelingt einfach und mit wenigen Handgriffen. Hier gibt es nichts zu mäkeln.

Viel Hartplastik verbaut

Weniger schön ist das Hartplastik an den Türverkleidungen und am Cockpit. Auch wenn ein Jeep kein Luxusgefährt ist, das geht besser. Hier wird klar, dass beim Material gespart wurde. Die Polsterung der Sitze sowohl vorne als auch hinten indessen ist absolut in Ordnung. Vor allem auch, weil der Elektro-Avenger alles andere als ein Auto für die lange Reise ist. Auch dazu später mehr.

Ausstattung kann sich sehen lassen

Während beim Material erkennbar der Rotstift angesetzt wurde, sieht es bei der Ausstattung deutlich besser aus. Klimaautomatik, Rückfahrkamera sind wie eine Reihe von Assistenten, LED-Scheinwerfer, Tempomat, Bergabfahrhilfe, Parksensoren hinten und auch die USB-Anschlüsse vorne und hinten generell in Serie. Das kann sich mehr als sehen lassen.

Stauraum übersichtlich

Das Ladeabteil indessen bietet mit 355 Litern einen eher übersichtlichen Stauraum. 1.275 Liter sind es, wenn die im Verhältnis 60:40 geteilten hinteren Lehnen vorgeklappt werden. Die bilden dann eine deutliche Schräge. Direkt hinter der weit nach oben schwingenden Heckklappe ist der Ladeboden aber eben und es gibt weder eine Stufe hinter der 72 Zentimeter hohen Ladekante noch vor den vorgeklappten Lehnen.

E-Motor leistet maximal 115 kW

Angetrieben wird der Jeep Avenger von einer E-Maschine, die maximal 115 kW (156 PS) leistet und ein Drehmoment von 260 Newtonmetern auf die Vorderräder bringt. Ist der Elektro-Jeep im Normal-Modus unterwegs, ist die Leistung auf 80 kW, im Modus Eco auf 60 kW gedrosselt. Bereits in der Stellung Normal geht es vom Start weg flott voran und Beschleunigungsmanöver werden durchaus kraftvoll absolviert. Wird Sport gewählt, macht sich das Plus an Leistung bei Druck aufs Beschleunigungspedal spürbar bemerkbar.

Verbrauch relativ hoch

Doch Vorsicht. Der Stromvorrat in dem Akku mit einer Kapazität von 50,8 kWh (Netto) ist begrenzt und neigt sich vor allem bei schneller Fahrt oder entsprechenden Wetterverhältnissen sehr schnell dem Ende zu. War es bei der ersten Vorstellung des Avenger im Sommer trotz recht flotter Fahrt noch ein erfreulich niedriger Verbrauch von 14,5 kWh auf 100 Kilometern, saugen Dunkelheit, Starkregen und niedrige Temperaturen deutlich mehr Energie aus der Batterie.Der Verbrauch steigt über die Marke von 20 kWh. Die Fahrt über die Autobahn von Bielefeld nach Hannover und zurück mit einer Gesamtdistanz von ziemlich genau 200 Kilometern wird damit ohne Ladestopp zur Nervenprobe.

Reichweite von 250 Kilometern machbar

Obwohl mit voll aufgeladenen Akku gestartet sind es bei der Ankunft in Bielefeld lediglich noch 30 Kilometer, die als Restreichweite anzeigt werden. Und das, obwohl der bei der Hinfahrt auf Tempo 104 justierte Geschwindigkeitsregler auf der Rückfahrt nach drastischem Energieverlust – vermutlich aufgrund der schlechten Wetterverhältnisse – auf nur noch 85 Kilometer pro Stunde eingestellt ist und so der Windschatten des einen oder anderen Lkw genutzt wird. Die von Jeep versprochene Reichweite von bis zu 400 Kilometern löst sich bei diesen Bedingungen in Schall und Rauch auf. Bei Fahrten im urbanen Umfeld mit häufiger Rekuperation aber sind auch bei schlechtem Wetter und Kälte zumindest 250 Kilometer machbar.

Fahrwerk auf Komfort ausgelegt

Fahrwerkstechnisch ist der Jeep Avenger auf Komfort ausgelegt. Auch ohne Allradantrieb sprechen die Bodenfreiheit von 200 Millimetern, kurze Überhänge, Böschungswinkel von 20 Grad vorn und 32 Grad hinten sowie einen Rampenwinkel von 20 Grad für eine gewisse Geländetauglichkeit. Außer den drei genannten Fahrmodi gibt es zudem noch Snow für maximale Traktion, Mud zur Optimierung der Leistung im Schlamm und zur Verbesserung der Bodenhaftung und Sand zur Begrenzung des Risikos, auf sandigem Boden stecken zu bleiben.

Ladebuchse auf der Fahrerseite

Geladen werden kann der 1,6 Tonnen schwere Avenger an der Wallbox mit elf kW in fünfeinhalb Stunden. Bei einer Schnellladung mit 100 kW dauert es um die 25 Minuten, um den Akku von 20 auf 80 Prozent mit neuer Energie zu versorgen. Die Ladebuchse liegt hinten auf der Fahrerseite – nicht so gut für das Laden am Straßenrand.

Schutz gegen Kratzer

Zur Verringerung von Schäden bei Unfällen mit niedriger Geschwindigkeit, die in Europa etwa 70 Prozent der Schadensfälle ausmachen, ist der mindestens 37.000 Euro teure Jeep Avenger mit Unterfahrschutz, 360 Grad Verkleidung und geschützten Scheinwerfern ausgestattet. Die Unterfahrschutzverkleidungen aus Polymer sind durchgefärbt statt lackiert, damit Kratzer kaum sichtbar sind.

Positive Punkte, die den ansonsten nicht wirklich überzeugenden Gesamteindruck, allerdings nur unwesentlich verbessern.

 

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Edwin Kieltyka
Edwin Kieltyka
31. Januar 2024 22:59

Wie immer, prägnant auf den Punkt gebracht.